Wie jedem Fußballfan seit der Vergabe im Jahr 2010 bekannt ist, wird die nächste Weltmeisterschaft im Wüstenstaat Katar stattfinden. Die Fußball WM 2022 wird anders als alle bisherigen Weltmeisterschaften nicht im Sommer, sondern im Winter über die Bühne gehen. Das Eröffnungsspiel ist am 21. November 2022. Das Finale findet am vierten Advent, sprich dem 18. Dezember 2022 statt. Soweit so gut. Seit dem Bekanntwerden, dass tatsächlich Katar den Zuschlag für die WM bekommen hat, ist einiges passiert. Stimmen zum Boykott des Fußball-Festes werden immer lauter. Und das nicht ohne Grund.*
Man muss wissen, dass seit Jahren über die Menschenrechte, die tagtäglich in Katar missachtet werden, diskutiert wird. Geändert hat das bislang nichts. Das Emirat Katar wird als absolute Monarchie regiert. Die Staatsreligion ist der Islam und die Scharia Hauptquelle der Gesetzgebung. Tamim bin Hamad Al Thani ist seit 2013 Staatsoberhaupt des Emirats Katar. Er gilt als absoluter Verfechter der Scharia. Und genau hier ist der Hund begraben. Immer noch werden Gesetzesbrecher in Katar öffentlich ausgepeitscht, um andere Leute von Straftaten abzuhalten. Homosexualität ist bei Strafe verboten.
Erschreckende Arbeitsbedingungen
Frauen unterliegen einer strengen Kleidervorschrift und werden immer noch unterdrückt. Alkohol in der Öffentlichkeit und Glücksspiel sind genauso tabu, wie rechtswidriger Geschlechtsverkehr. In den Vorbereitungen auf die Wüsten-WM wurden zudem noch arge Probleme der Arbeitsmigranten bekannt. Immer wieder hört man von menschenunwürdigen Bedingungen für die Leute, die zum Beispiel für den Bau der insgesamt acht Stadien angeheuert wurden. Von fehlenden Lohnzahlungen bzw. weniger ausbezahlten Lohn als im Vorhinein vereinbart, bis zu miserablen Unterbringungen der Arbeiter wird berichtet.
Zudem sollen unzählige Arbeiter während Bauarbeiten gestorben sein. Einer der größten Kritikpunkte an der Regierung in Katar ist, dass solche Todesfälle in den letzten 10 Jahren nie wirklich untersucht worden sind. Wenn ein Arbeitsmigrant gestorben ist, war es entweder eine natürliche Ursache oder ein Herzfehler.Meist handelt es sich bei den Verstorbenen um Arbeiter aus Indien, Pakistan, Nepal, Bangladesch und Sri Lanka. Insgesamt sollen seit der Vergabe, also vor mehr als 10 Jahren bis zu 6500 Arbeitsmigranten gestorben sein. Das macht einen Schnitt von 12 Menschen pro Woche, die ihr Leben gelassen haben.
Die Dunkelziffer soll aber deutlich höher liegen. Weil zu einer WM mehr als nur die Stadien gehören, wird im Emirat viel gebaut. Es fehlte an der geeigneten Infrastruktur. Neben neuen Straßen, einem neuen Flughafen und unzähligen Hotels zur Unterbringung der Fans wurde zudem eigens eine komplett neue Stadt errichtet. Vor allem die große Hitze während den Sommermonaten setzt den eigens ins Land geholten Arbeitern extrem zu. Die Regierung in Katar verweist darauf, dass um die 1,4 Millionen Menschen aus den besagten Ländern derzeit in Katar leben würden. Weitere Millionen Gastarbeiter hätten in den vergangen 10 Jahren dort gelebt.
Sie haben aber das Land bereits wieder in Richtung Heimat verlassen. Deshalb sei die Sterberate ganz normal. Inzwischen hätten diverse Reformen die Situation verbessert, dennoch wird bemängelt, dass diese Reformen nur unzureichend umgesetzt werden. Immer wieder stellt man sich die Frage, wie es überhaupt so weit kommen hat können, dass Katar den Zuspruch zum größten Fußballfest bekommen hat. Vielleicht liegt es daran, dass die Vereinigten Arabischen Emirate in den bisherigen 21 Fußball-Weltmeisterschaften seit 1930 nie berücksichtigt wurden.
Aber ist das alleine ein Grund in einem Land mit einer Fläche von 11.571 km², Hessen zum Beispiel ist doppelt so groß, keinen Stein auf dem anderen zu lassen und über Leichen zu gehen? Wohl kaum. Vielmehr will das Emirat Katar wohl das ohnehin in der Welt angeschlagene Image um ein vielfaches verbessern. Dafür reicht die Austragung einer Fußball-WM alleine aber nicht aus, schon gar nicht, wenn sogar darüber diskutiert wird, ob der FC Bayern München weiter auf Trainingslager in den Wüstenstaat fliegen soll bzw. Katar als Sponsor von den Bayern Trikots entfernt werden soll.
Katar 2022 – Unterstützung der Taliban?
Wenn ein Staat, der unter Verdacht steht, die Terrormiliz ISIS zu unterstützen, darf es niemanden wundern, wenn über solch banal wirkenden Themen geredet wird. Dennoch wollen die Scheichs aus Katar, dass irgendwie alle Augen auf sie gerichtet werden. Die WM ist ja bei weitem nicht die einzige Sportveranstaltung, die das Emirat austragen wird. In jüngster Vergangenheit fand ja auch die Handball-WM in Katar statt, die als blutleeres Turnier in die Geschichte eingegangen ist. Die Zuschauerränge waren so gut wie leer.
Beim Spiel Deutschland gegen Russland waren nicht mehr als 600 Menschen in der Halle. Außerdem war Katar Austragungsort der Schwimm-WM 2014, der Rad-WM 2016 und der Leichtathletik WM 2019. Die letztgenannte WM wurde im Khalifa International Stadium ausgetragen. Einem Stadion, das für 40.000 Zuschauer Platz gehabt hätte und über jeden nur erdenklichen Standard verfügt. Die Freiluftarena wurde mit Klimaanlagen auf angenehme 25° Grad runter gekühlt, um den Athleten nicht zu viel zuzumuten. Die erwarteten Zuschauermassen blieben aber dennoch aus.
Bei der Königsdisziplin in der Leichtathletik, dem 100 Meter Finale der Männer waren nur lächerliche 10.000 Zuschauer anwesend. Um im Fernsehen nicht den Eindruck zu erwecken, dass die Arena wirklich gähnend leer war, wurden die Oberränge mit bunten Bannern abgehängt. Ein Umstand, der den Spitzensportlern, die ihr ganzes Leben diesem Event unterordnen, nicht gerecht wird. Ob bei der Fußball-WM mehr Fans kommen werden, ist noch offen. Es wird allerdings ein Kraftakt für die Katarer die Stadien, in der die 64 Spiele stattfinden werden, voll zu bekommen.
Es wird sogar gemunkelt, dass Fans gekauft würden, wenn die Stadien leer bleiben sollten, um so künstliche Stimmung herbeizaubern. Und was kommt als nächstes? Will sich das Wüstenemirat auch noch für die Olympischen Winterspiele bewerben? Zuzutrauen wäre es ihnen. Neben den bisherigen genannten Problemen gibt es aber noch unzählige weitere Streitpunkte, die vor allem die diversen Nationalmannschaften beschäftigen. In Deutschland zum Beispiel wird bis Mitte November 2022 die Bundesliga-Hinrunde gespielt. Somit bleiben Hansi Flick nur zwei Wochen Vorbereitung auf das wichtigste Fußballturnier der Welt.
Normalerweise trifft man sich aber vier Wochen vorher. Wie sieht es mit den Spielern aus? Können die nach so einer langen Saison dann überhaupt ihre Leistung bringen? Alleine die Verletzungsgefahr von übermüdeten Kickern wird den Vereinen ebenfalls Sorge bereiten. Aber auch den Fans, die zu Hause die WM anschauen wollen, wird einiges zugemutet. Statt Public Viewing im Bikini mit Grillwurst und Bier steht man dann wahrscheinlich im dicken Fellmantel am Glühweinstand und isst gebrannte Mandeln unter einem Heizstrahler. Das alles ist einfach sehr schwer vorstellbar.
Fußball WM 2022 Katar – Gekauft bei der FIFA
Der Weltverband FIFA dürfte außerdem aus den Fehlern der vergangenen Fußballweltmeisterschaften nichts gelernt haben. Alleine die Frage, was mit den Stadien nach der Großveranstaltung passiert, hat der Verband schon vor der WM in Südafrika oder Brasilien des Öfteren beantworten müssen. Sowohl 2010 in Südafrika, als auch 2014 in Brasilien wurden den Einheimischen einfach Märchen erzählt. Rausgekommen ist, dass die sündhaft teuren Stadien verfallen und sich wirtschaftlich nie ausgezahlt haben. Das beste Beispiel dafür ist die Arena da Amazônia in Manaus.
Diese liegt mitten im Amazonasgebiet und bereitete den Mannschaften während der WM in Brasilien sowohl bei der Anreise, als auch vor Ort große Probleme. Starke Regenfälle und unbefestigte Straßen erschwerten die Anreise. Das für 300 Mio. EURO erbaute Stadion wurde nur für vier WM-Spiele genutzt. Die dort ansässigen Fußballmannschaften können sich die Arena als Spielort nicht leisten und für Konzerte oder andere Veranstaltungen kommt es nicht in Frage, weil Man aus von den dicht besiedelten Städten Brasiliens schlichtweg zu weit entfernt ist. Nun zerbröselt das Stadion ohne weiteren Nutzen.
Oder die Arena Pantanal in Cuiabá, die Schlagzeilen machte als bekannt wurde, dass sich Obdachlose in den verlassenen Kabinen eingerichtet hätten. Auch das Estádio Nacional de Brasília Mané Garrincha in der Hauptstadt Brasiliens erlangte nach der WM Weltruhm. Lächerliche 600 Mio. EURO hat der Bau gekostet. Der Stadt fehlt eine Spitzenmannschaft, die das Stadion nutzen könnte. Kurzerhand wurde es zum Parkplatz für Busse umfunktioniert. Getroffen hat diese Verschwendung der Gelder für den Bau unnützer Sportstätten wie so oft nur die Ärmsten der Armen.
Anders wie in Brasilien oder Südafrika, scheitert es im Vorfeld der WM in Katar am Geld auf keinen Fall. Gemessen am kaufkraftbereinigten Bruttoinlandsprodukt pro Kopf gilt das Emirat als viertreichstes Land der Welt. Vor allem durch die ungeheuren Erdgasvorkommen wurde der Wüstenstaat so reich. Und wie überall anders auch, dürfte sowohl bei der FIFA, als auch bei den Katarern dem Spruch „Geld regiert die Welt“ große Bedeutung beigemessen werden. Vielleicht kann sich der eine oder andere noch an die Vergabe-Zeremonie im Jahre 2010 erinnern.
Prinz William und David Beckham wollten den Zuschlag für die WM 2022 in England haben. Ihre Präsentation damals vor den Delegierten der verschiedenen Länder war einzigartig. In England, dem Mutterland des Fußballs, hätte man kein einziges Stadion errichten müssen, keine Straßen oder Hotels bauen müssen. Es wäre alles vorhanden gewesen. Und trotzdem waren es nach der Verlesung vom damaligen FIFA Präsidenten Sepp Blatter wer denn nun die WM 2022 bekommt, nur drei Leute, die im Saal aufgehüpft sind. Nämlich die Delegierten von Katar. Alle anderen Menschen sahen sich unglaubwürdig an und runzelten die Stirn.
Damals hatte man von dem immer noch um sich wütenden Corona-Virus zwar noch nichts wissen können. Aber auch dieser Aspekt würde heute in England wegfallen, weil sie mit einer der ersten waren, die die Pandemie halbwegs unter Kontrolle gebracht haben. Auch die täglich auftretende Frage nach dem Klimaschutz müssen sich die Katarer gefallen lassen. Der CO2 Verbrauch der klimatisierten Arenen in Katar wird enorm werden. Aber darüber haben sich anscheinend weder die FIFA, noch der Wüstenemirat selbst Gedanken gemacht. Hauptsache der Rubel rollt.
Unter dem Motto „Höher, Schneller, Weiter“ wird nach einer WM von den Verantwortlichen das Fußballfest als bestes je stattgefundenes Ereignis bezeichnet. Bestimmt wird das Gianni Infantino, seines Zeichens neuer FIFA Präsident, auch nach der WM in Katar wieder tun. Das muss er auch. Denn man stelle sich vor, wie alleine die Fernsehgelder exponentiell in die Höhe geschossen sind. In den 90er Jahren lagen die noch bei 100 Millionen EURO. Heute geht es in den Milliardenbereich. Jeder kann sich noch an die Fußball WM 2006 in Deutschland, auch bekannt als Sommermärchen, erinnern.
Damals gab der deutsche Bund nicht mehr als 800 Mio. EURO für die Sanierung der Stadien und dergleichen aus. Die Kosten wurden durch den wirtschaftlichen Nutzen voll aufgefangen. Die Menschen kamen aus aller Welt, es wurde gemeinsam gefeiert und im ganzen Land herrschte tolle Stimmung. Die WM war ein voller Erfolg. Für Katar sind 15 Jahre später 800 Mio. EURO nur „Peanuts“! Bisher hat das Emirat ca. 100 Milliarden EURO in dieses Event investiert. Bei diesen Zahlen wird einem deutlich, um was es eigentlich geht. Nämlich nur um das liebe Geld. Und das nicht nur in Sachen von Investitionen in die Sportstätten.
Sondern auch in Sachen Bestechlichkeit und Korruption. Der ehemalige Fifa-Präsident Sepp Blatter wurde 2021 wegen Verstößen gegen das Fifa-Ethikreglement von der unabhängigen Ethikkommission der Fifa zu einer Geldstrafe von einer Million Schweizer Franken (rund 900.000 Euro) verurteilt. Und zudem mit einer Sperre von sechs Jahren und acht Monaten für jede nationale und internationale Fußball-Tätigkeit belegt. Blatter soll Geschenke, die im Zusammenhang mit der Vergabe der WM nach Katar stehen, angenommen haben. Es ist echt widerlich, wie manche Menschen den Hals nicht voll bekommen können.
Bestechung ist aber anscheinend bei der FIFA an der Tagesordnung. Auch Franz Beckenbauer, der Kaiser, ist damals als bestechlich bezeichnet worden, als er die WM nach Deutschland geholt hat, um nur einen weiteren Fall zu nennen. Ob und wie viel Bestechungsgeld im Vorfeld der Vergabe der WM in Katar geflossen ist, wird man wenn überhaupt erst weit nach dem Event erfahren. Im Anbetracht all der genannten Probleme darf es also niemanden wundern, dass Fußballnationen wie Deutschland, Norwegen, Dänemark oder auch die Niederlande zum Boykott der Wüsten-WM aufrufen. Soweit wird es aber auf keinen Fall kommen. Die Qualifikation für das Turnier ist fast vorbei und es stehen auch schon die ersten Teilnehmer fest.
Außerdem sind bis auf ein Stadion alle Arenen in Katar bereits fertiggestellt und auch sonst laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren. Von dem abgesehen, würde sich ein Verband, der eine WM boykottiert, ins eigene Knie schießen. Denn neben Geldstrafen von bis zu 20.000 SFR würde es auch zu Ausschlüssen von künftigen FIFA-Wettbewerben kommen. Ein Umdenken der FIFA, die WM an ein anderes Land zu vergeben, ist also absolut unrealistisch. Der Fußballfan wird sich damit abfinden müssen, anstelle von grölenden Fans bei den diversen Public Viewing Veranstaltungen eher Jingle Bells am Weihnachtsmarkt zu hören.
Pascal Ortner
Experte für Fußball
Als ehemaliger Fußballprofi in Österreich und Belgien kennt sich Pascal mit der Materie bestens aus. Mittlerweile ist der Familienvater im Grenzgebiet zu Deutschland sesshaft geworden. Sein Hauptaugenmerk für Wettbonus.net gilt dem Erstellen von neuen Texten für die erste und zweite deutsche Bundesliga. Außerdem hat er bereits diverse Artikel für das Magazin auf der Webseite geschrieben. In seiner Freizeit trainierte Pascal die G-Jugend Mannschaft in seinem Heimatort in der auch seine beiden Söhne Fußball spielen. Des Weiteren ist er Cheftrainer in der Bezirksliga in Bayern, genießt gerne die Natur auf dem Fahrrad und liebt jede Art von sportlicher Betätigung wie schwimmen oder auch Krafttraining.